Foto: Katharina Bauer
Zwischen Idealismus und Realität
Wir alle neigen dazu, unsere Meinungen auf ein schwarz-weißes Weltbild aufzubauen. Möglichst klare Strukturen in unserem Gehirn vereinfachen unseren Alltag und das Denken und Leben in einer Welt voller komplexer Zusammenhänge.
Als ich vor drei Monaten als Praktikantin zu AHO kam, spürte ich sofort die stark idealistischen Werte, die dieses Unternehmen leiten: Hier wird wirklich gesunde Nahrung aus regionalen, biologischen Rohstoffen plastikfrei von einem begeisterten Team hergestellt - was könnte es Nachhaltigeres geben?
Nahrungsmittel sind keine nutzlosen Konsumgüter
Essen als Grundnahrungsmittel werden wir immer benötigen, die AHO-Produkte sind also nicht wie vieles andere in der westlichen Gesellschaft darauf ausgelegt, nur kurzweilig einen Mehrwert zu bieten. Dieses besondere Potenzial steht in meinen Augen im Gegensatz zu der kapitalistischen Konsumgesellschaft, die alles andere als zukunftsfähig auf ständiges Wachstum ausgelegt ist und unseren Planeten ausbeutet.
Warum ein nachhaltiges Food Startup zur Höhle der Löwen geht und bei Amazon verkauft
Ich erfuhr bald darauf, dass AHO in einigen Wochen bei „Die Höhle der Löwen“ im Fernsehen auftreten würde und gerade auch alle Produkte auf Amazon erhältlich werden sollten… und war verwirrt. Die Fernsehshow und auch der Großkonzern hatten ja wohl gar nichts mit Nachhaltigkeit zu tun! Im Gegenteil, vor allem über Amazon hatte ich in der Vergangenheit sehr viel Schlechtes gehört und mich selbst schon dagegen entschieden, dort einzukaufen. Und jetzt sollte auch AHO in diesem Online-Markt seine Produkte anbieten und damit Amazon unterstützen? Das zu verstehen fiel mir schwer - also entschied ich mich dazu, Jannis Birth zu fragen, wie all das zusammen passte. Mir wurde klar, dass in dieser Thematik zwischen Schwarz und Weiß noch viel zu finden ist…
Mainstream meiden oder Mainstream verändern
Natürlich haben sowohl „Die Höhle der Löwen“ als auch Amazon Schattenseiten: Die TV-Show basiert zum Beispiel auf dem Ziel der Investoren, ihr eigenes Geld zu vermehren, weswegen sie eher in Firmenideen investieren, die im Einzelhandel leicht umzusetzen sind, als auf Nachhaltigkeit zu achten. Genau daran hatte ich auch gedacht und sofort folgte mein Schluss: AHO passt nicht in dieses Konzept, also sollten wir nicht an der Show teilnehmen. Was wäre dann aber mit den 2,5 Millionen Menschen, die durch die Ausstrahlung ein Unternehmen kennenlernen könnten, dass auf Nachhaltigkeit setzt, gesunde Ernährung unterstützt, Bioanbau fördert und uns in eine plastikfreie Zukunft führt? Diese Menschen hätten nie etwas von AHO gehört, wenn wir nicht bei „Die Höhle der Löwen“ dabei gewesen wären!
Nachhaltige Veränderung innerhalb etablierter Strukturen: Vegane Fallafelrollen im Dönerladen
Jannis hat mir seine Gedanken am Beispiel eines Dönerladens veranschaulicht:
Dieser herkömmliche Laden verkauft seine Döner mit billigem Fleisch aus Massentierhaltung. Ich aber, jung, vegan, idealistisch orientiert, stehe nun vor einer Entscheidung: Soll ich in diesem Laden einkaufen und nach einer veganen Variante fragen? Obwohl ich damit einen Laden finanziell von dem Kauf von noch mehr billigem Fleisch unterstütze? Ja, hier liegt das Problem. Je mehr Menschen aber diesen Schritt gehen und nach Alternativen fragen, desto eher wird der Ladeninhaber vegane in sein Sortiment aufnehmen. Würden ich und viele andere Menschen es aber grundsätzlich ablehnen, dort einzukaufen, würde dieser Wandel nie passieren. Und siehe da: Heute bietet fast jeder Dönerladen mindestens eine vegane Variante an, wodurch sogar auch alle anderen Kunden auf dieses Thema aufmerksam werden. Auch sie probieren jetzt vielleicht den veganen Döner, einfach weil sie ihn auf der Karte entdeckt haben. Klingt gut, oder?
Gesamtgesellschaftlicher Wandel
Es gibt in der nachhaltigen Startup-Szene ebendiese Bewegung, die sich bewusst dazu entscheidet, zu Großinvestoren zu gehen und sie dazu bringen, ihr Geld in zukunftsfähige Unternehmen anzulegen und so deren Bewusstsein zu wandeln. Wie bei einem trojanischen Pferd wird das System von innen heraus gewandelt, außerdem werden auf diese Weise viele Menschen darauf aufmerksam, dass es auch anders geht. Was würde passieren, wenn keine alternative Firma zu Rewe oder Amazon gehen würde? Richtig, es gäbe kein nachhaltiges Angebot und somit nicht mal die Möglichkeit für viele Menschen, ihr Bewusstsein zu wandeln.
Das Angebot von nachhaltigen Alternativen auf großen Marktplätzen
„Ich fände es schade, wenn sich ökologisch motivierte Unternehmen nicht zeigen würden und es dadurch in keinem Rewe, in keinem Dönerladen und auch nicht bei Amazon diese Alternativen gibt und die Leute gar nicht auf nachhaltige Alternativen aufmerksam werden können.“, sagt Jannis und regt mich damit zum Nachdenken an. „Und nochmal zu Amazon speziell: Wir nutzen bewusst nicht das Fulfillment, über den Online-Konzern zu versenden. Das machen wir alles selbst, auch um die Arbeitsbedingungen dort nicht zu unterstützen. Außerdem suchen wir natürlich nach Alternativen wie zum Beispiel das grüne Pendant “Fairfox” …es geht halt darum, wirklich realistisch zu denken. Was gibt es in der Gesellschaft für Probleme und an welchen Punkten können WIR ansetzen?“.
AHO VERSUCHT REAL ETWAS ZU VERÄNDERN, ANSTATT SICH VON BESTEHENDEN STRUKTUREN ABZUGRENZEN.