Ist glutenfreie Ernährung sinnvoll oder ein haltloser Hype?
Seit nun 12 Jahren ernähre ich mich vegan und in dieser Zeit habe ich so einige Ernährungstrends mitbekommen. Vieles kommt für ein paar Jahre und vergeht schnell wieder. Manche Empfehlung bleibt und wird wissenschaftlich belegt. Nach neuesten Studien haben nur 0,9% der deutschen Bevölkerung eine Glutenintoleranz und trotzdem hat das Thema "Glutenfrei" den Mainstream erreicht.
Was ist Gluten?
Gluten ist ein Sammelbegriff für Proteine, die in manchen Getreidesorten und Samen enthalten sind.
Fakt Nr. 1: Jeder mit nachgewiesener Zöliakie oder Glutenintoleranz sollte Gluten meiden. Gefühlt hat jedoch jeder Dritte eine Glutenintoleranz. Diese Vermutung ist darauf zurückzuführen, dass viele Menschen moderne Backwaren und Fertiggerichte nicht gut vertragen.
Fakt Nr. 2: 99% der Menschen können Gluten gut vertragen. Nach jahrelanger "Normalernährung" können allerdings unangenehme Folgen für die Dünndarmschleimhäute entstehen. Moderne Getreidesorten wurden auf Backeigenschaften wie "Kleben" und "Aufgehen" gezüchtet. Durch die unausgeglichene Aminosäurenstruktur des modernen Getreides können die enthaltenen Glutene kaum verdaut werden. Dies kann Entzündungen begünstigen, die zu einem Leaky Gut Syndrom führen können. Doch Gluten aus modernem Getreide ist nicht der alleinige Grund für entzündete Darmschleimhäute, Reizdarm-Syndrom, Blähungen oder schmerzhafte Beschwerden des Dickdarms. Der hohe Konsum an Fruktose aus weißem Zucker, Agavendicksaft, Fruchtjoghurt, Müsliriegeln, Schokoladen, Saftschorlen und modern gezüchteten süßen Früchten aus dem Supermarkt bietet z.B. ebenfalls die Grundlage für krankmachende Darmbakterien.
Fakt Nr. 3: Es gibt andere Gründe, warum Weizenprodukte nicht gut vertragen werden.
Warum Weizenprodukte nicht gut vertragen werden
Moderne Backwaren schmecken lecker, sind weich und billig. Aus ernährungsphysiologischer Perspektive weisen moderne Backwaren jedoch signifikante Nachteile auf. Ich habe für euch die 4 elementaren Nachteile von modernen Backwaren zusammengetragen. Hier wird besonders deutlich, dass "Gluten" nicht das Hauptproblem von Unverträglichkeiten ist und das erklärt auch, warum zum Beispiel gekeimter Oberkulmer Rotkorn von vielen Menschen mit einer Glutenintoleranz trotz des Glutengehalts gut vertragen wird.
1. Hoher Stärke Gehalt
In Getreide ist viel Stärke enthalten. Stärke ist ein komplexes Kohlenhydrat. Komplexe Kohlenhydrate müssen in kürzere Zuckerketten zerlegt werden, damit sie der menschliche Stoffwechsel optimal nutzen kann. Durch das im Speichel enthaltene Enzym α-Amylase wird Stärke in Disaccharide und schließlich in Glucose umgewandelt. Dies passiert nur durch ausreichendes Kauen (ca. 50 Mal) und die meisten Menschen kauen die bereits weichen Getreideprodukte vom Bäcker nicht ausreichend. Zudem produziert der Mensch nicht genügend α-Amylase um viel Stärke abzubauen. Im Keimprozess wird Stärke durch die Enzymaktivität nach dem Einweichen jedoch in Disaccharide zerlegt und somit "vorverdaut". Dies macht gekeimte Produkte verträglich. Allerdings sind normale Getreideprodukte so gut wie nie gekeimt.
2. Niedriger Gehalt an Vitamin B1
Der Vitamin B1 Gehalt in normalen Getreideprodukten ist zu gering. Vitamin B1 ist notwendig für einen funktionierenden Kohlenhydrat-Stoffwechsel. Wenn Kohlenhydrate konsumiert werden und zu wenig Vitamin B1 in den Nahrungsmitteln bereit steht, können die enthaltenen Kohlenhydrate nicht gut verstoffwechselt werden. Deswegen ist z.B. Babynahrung per Gesetz mit Thiamin (B1) vitaminisiert. Selbst Vollkorngetreide hat nicht genug Vitamin B1 für den erforderlichen Mindestwert. Bei Weißmehlprodukten wurde durch das Entfernen der Getreideschale das Vitamin B1 sogar komplett eliminiert. Durch den Keimprozess potenzieren sich Vitamine. Getreidesprossen enthalten mehr Vitamin B1 und unterstützen auf diese Weise die Verstoffwechselung von Kohlenhydraten.
3. Gluten ist nicht gleich Gluten
Viele Menschen vertragen Gluten aus Dinkel, aber nicht aus Weizen. Insbesondere Urgetreide Sorten wie der Urdinkel Oberkulmer Rotkorn wird von Menschen gut vertragen, die ansonsten mit Gluten ein Problem haben. Moderne Dinkelsorten sind mit Weizen gekreuzt, wohingegen Oberkulmer Rotkorn weniger als 0,01% Weizeneinkreuzungen hat und somit wirklich unverzüchtet ist. Die spezifische Proteinkombination im Dinkel unterscheidet sich wesentlich von der Aminosäurenstruktur von Weizen. In Dinkel sind Prolamine und Gluteline enthalten, in Weizen jedoch Gluteline und Glutenin. Im Weizen ist Omega-5-Gliadin der Auslöser für Unverträglichkeiten und z.B. einer Histaminintoleranz. Omega-Gliadin ist in Dinkel nicht enthalten. Deshalb wird Dinkel im Allgemeinen besser vertragen.
4. Insektizide schaden Darmbakterien
In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass Xenobiotika (dem natürlichen Ökosystemen fremde Stoffe) die Darmschleimhaut schädigen können. Insektizide können eine Abnahme von Laktobazillen und Bifidusbakterien verursachen, so dass weniger Darmbakterien existieren, was wiederum zu einer schlechteren Verdauung führt. In der konventionellen Landwirtschaft werden Insektizide routinemäßig angewendet. Die meisten Bäckereien backen nicht mit biologisch angebautem Getreide. Von knapp 11.000 deutschen Bäckereien haben nur 800 auch Bioprodukte im Angebot. Damit keine Insektizide im verwendeten Getreide enthalten sind, sollte der Konsument jedoch in jedem Fall auf deutsche Bioqualität achten.
Glutenfreie Produkte von AHO
Aus den aufgezeigten Gründen haben wir uns für die nährstoffreichen Sprossen aus Oberkulmer Rotkorn als Grundlage für unsere AHO Cracker und unser Sprossen Mehl entschieden. Auf den obligatorischen Verpackungstexten weisen wir deshalb darauf hin, dass die Dinkelsprossen "eine Weizenart" sind. Freunde und Bekannte mit Zöliakie haben regelmäßig unsere AHO Cracker probiert und bisher keine Probleme gehabt. Allerdings empfehlen wir niemandem mit Zöliakie unsere Produkte aus gekeimtem Oberkulmer Rotkorn. Als Alternative haben wir allerdings auch einige zertifizierte glutenfreie Produkte zur Auswahl und arbeiten weiter an neuen Lebensmitteln aus dem glutenfreien Knöterichgewächs Buchweizen.
Der Glutenfrei-Hype hat viele positive Seiten
Ich hoffe, dass ich etwas Licht ins Dunkel bringen konnte. Mir ist es immer wichtig, dass Trends und Hypes auch eine wissenschaftliche Grundlage haben. Der Glutenfrei-Trend hat sicherlich seine positiven Seiten, weil Menschen dadurch generell ihre ungesunden Essgewohnheiten in Frage stellen. Wenn man differenzierter hinschaut, ist aber Gluten meist gar nicht das Problem, sondern die moderne Art und Weise wie wir mit Lebensmitteln umgehen.
Glutenfreie Produkte