In unserem ersten Artikel zu den Veränderungen beim Keimen haben wir beschrieben, was bei der Keimung im Samen abläuft. Mit einer ganzen Reihe von Beispielen zeigen wir auf, wie sich der Gehalt an Mikronährstoffen wie Vitaminen und Mineralstoffen sowie die Menge an Phytinsäure, FODMAPS und Gluten innerhalb von wenigen Tagen verändert.
Wenn du den Artikel noch nicht gelesen hast: Hier erfährst du, zu welchen ungeheuren Veränderungen das Keimen inklusive der Beweise zum Keimprozess führt.
Inhaltsverzeichnis:
- Am meisten profitiert das Omega-3-zu-Omega-6-Verhältnis!
- Eine neue Studie zur Keimung bringt klasse Neuigkeiten!
- Hintergrund zu Omega-3 und Omega-6-Fettsäuren in unserer Ernährung
-
Die Ergebnisse der Studie zum Keimprozess
- Zusammenfassung der Untersuchung
- Quellen
Am meisten profitiert das Omega-3-zu-Omega-6-Verhältnis!
Während der Keimung von Samen, Nüssen und Getreidekörnern kommt es zu Veränderungen im Stoffwechsel, bei denen Enzyme gebildet werden, die komplexe Moleküle in einfachere aufspalten und so Nährstoffe für die Entwicklung der Pflanze verfügbar machen. Das gilt sowohl für Kohlenhydrate, Fette als auch für Proteine. (1)(2)
Gekeimte Getreide enthalten dadurch höhere Mengen an lebenswichtigen Nährstoffen wie Vitamine, Aminosäuren, essenzielle Mineralien, Spurenelemente und Antioxidantien als die ungekeimten Körner. (3)(4)(5)(6) Das Keimen verbessert somit das Nährwertprofil und die bioaktiven Eigenschaften von Getreide, was direkt unserer Gesundheit zugutekommt. (7)(8)
Weitere Vorteile: Gekeimte Körner haben darüber hinaus eine höhere Bioverfügbarkeit, hervorragende sensorische Eigenschaften und einen geringen Gehalt an Antinährstoffen. Die Verwendung von gekeimten Körnern in der Küche verbessert den Stoffwechsel, tut dem Immunsystem gut und steigert den Nährstoffgehalt von Backwaren. (9) Alles Argumente, die in der heutigen Lebensmittelwelt immer wichtiger werden.
Eine neue Studie zur Keimung bringt klasse Neuigkeiten!
Heute schauen wir gemeinsam eine wissenschaftliche Arbeit vom April 2023 genauer an. Sie untersucht die Auswirkungen der Keimung auf den Fettgehalt, die Fettsäure-Zusammensetzung und die Lagerstabilität von Körnern. (10)
Anmerkung: Die Studie ist ein Review, d.h. die Forscher haben selbst keine eigenen Versuche gemacht, sondern die Daten aus vielen anderen Studien zusammengetragen.
Wir waren ganz gespannt auf die Antwort, ob und wie sich Keimen auf das Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren auswirkt. Das ist ein extrem bedeutender Faktor für unsere Gesundheit, für den optimalen Ablauf aller Funktionen in der Zelle und auch zur Vorbeugung von gesundheitlichen Problemen.
Hintergrund zu Omega-3 und Omega-6-Fettsäuren in unserer Ernährung
Historisch gesehen soll das Verhältnis von Omega-6 zu Omega-3 bei etwa 1:1 gelegen haben. Durch die Veränderungen des Nahrungsmittelangebots und damit der Ernährungsweise hat es jedoch ein ungesundes Niveau von 15 bis 20:1 erreicht. Vor allem die Wahl von zu viel und den falschen Pflanzenölen mit viel Omega-6-Fettsäuren, aber auch Getreideprodukte und Fleisch aus der Massentierhaltung führen zu diesem erhöhten Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnis.
Viele haben ein Defizit zwischen Omega-3-Bedarf und Omega-3-Aufnahme
Die langkettigen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA gehören in Deutschland zu den kritischen Nährstoffen, d. h. viele Menschen nehmen zu wenig auf und nur durch bewusste Auswahl an Lebensmitteln und Nahrungsergänzungen sind optimale Werte erreichbar. Nach Prof. Clemens von Schacky sind mindestens 75 % der Deutschen mit Omega-3-Fettsäuren unterversorgt. Der von ihm wissenschaftlich untermauerte Omega-3-Index liegt für Deutsche im Durchschnitt zwischen 5 und 6 % sollte aber im Bereich von 8-11 % liegen. (21)(22)
Hinzu kommt die Diskrepanz zwischen Wissen und Tun wie Prof. von Schacky feststellt: „Trotz ausreichender Kenntnisse über Nahrungsquellen und der festen Überzeugung, dass Omega-3-Fettsäuren wichtig für die Gesundheit sind, hatten nur sehr wenige Teilnehmer Omega-3-Index-Konzentrationen in dem Bereich, der Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen bietet.“ (23) Diese und andere direkte Folgen von einem Omega-3-Mangel bestätigt Prof. Wiliam Harris (Sanford Universität). (24)
Laut Ernährungsbericht 2004 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) nehmen Erwachsene im Durchschnitt nur 200 mg EPA + DHA pro Tag zu sich. Besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist die Menge noch deutlich niedriger. (25) Ganz schlechte Karten hat, wer gar keinen Fisch ist (16 % der Bundesbürger). Diese Personen bekommen durch ihre Nahrung lediglich 60 mg EPA + DHA pro Tag. (26)
Hinweis: Diese Zahlen berücksichtigen nur die Aufnahme über Lebensmittel. Nahrungsergänzungen mit Omega-3-Fettsäuren sind nicht eingerechnet.
Ein genauer Tagesbedarf für langkettige Fettsäuren wird von offiziellen Stellen nicht genannt. Von der DGE gibt es einen Schätzwert für Omega-3-Fettsäuren insgesamt, der aber nicht zwischen Alpha-Linolensäure und DHA + EPA differenziert und damit keine wirkliche Hilfe ist. Einzig der Arbeitskreis Omega-3 e.V. gibt mit „mehr als 300 mg DHA + EPA“ eine konkrete Vorgabe. Damit liegt die tatsächliche Aufnahme um mindestens ein Drittel unter dem Sollwert. (25)(27)(28) Wenn es allerdings darum geht, niedrige Blutwerte auf ein gutes Niveau anzuheben (Omega-3-Index 8-11 %), dann bedarf es laut der Arbeit von Dempsey einer Menge von 1000 bis 1500 mg EPA + DHA täglich über 12 Wochen. (29)
Das EFSA-Gremium für diätetische Produkte, Ernährung und Allergien (NDA-Gremium) geht sehr optimistisch davon aus, dass Erwachsene in der EU pro Tag durchschnittlich 400 - 500 mg an langkettigen Omega-3-Fettsäuren (EPA, DHA, DPA) über Lebensmittel aufnehmen. Und sieht das als völlig ausreichend an. (30) Im Widerspruch dazu steht der Health Claim der EU „trägt zu einer Erhaltung des normalen Triglyzeridspiegels im Blut bei“, der nur für Lebensmittel verwendet werden darf, die mit einer normalen Portion 2000 mg DHA und EPA liefern (die Portionsmenge muss auf der Verpackung angegeben sein). Um den Health Claim „trägt zu einer Erhaltung des normalen Blutdrucks bei“ nutzen zu dürfen, muss das Lebensmittel sogar 3000 mg DHA und EPA pro Portion bereitstellen. (31)
Du brauchst dir diese Zahlen nicht zu merken. Nimm diesen Richtwert für deine Ernährung mit: Damit im Körper alle Funktionen, inklusive Herz und Kreislauf, bedient und Entzündungen minimiert werden, strebe eine Aufnahme von mindestens 1000 mg Omega-3-Fettsäuren an. (26)(29)(32)
Die Ergebnisse der Studie zum Keimprozess
a) Fettgehalt
Während des Keimens werden durch das aktivierte Enzym Lipase von den Fetten (Fettmolekül = drei Fettsäuren an einem Molekül Glyzerin) nach und nach die Fettsäuren abgespalten. Interessanterweise tanzt hier der Hafer aus der Reihe. Bei ihm wird die Lipase nicht aktiver, sondern sie ist bereits im trockenen Korn aktiv und die Aktivität nimmt beim Keimen etwas ab. Das ist möglicherweise der Grund, warum sich das Fett im Hafer beim Keimen nicht so sehr verändert wie in anderen Getreiden (s.u.).
Die Zahlen der Studie zeigen, dass die Fette schneller zerlegt und danach auch die Fettsäuren verstoffwechselt werden, wenn die Keimtemperatur erhöht wird (über 25 Grad). Daher sinkt bei diesen Bedingungen, oder bei mehrtägiger Keimung, der Fettgehalt unter den ursprünglichen Wert. Der Keimling nutzt die Fettsäuren zur Energieproduktion. Interessanterweise werden beim Keimen meist die gesättigten Fettsäuren zuerst verbraucht.
Tabelle 1: Fettgehalt verschiedener Getreide und Samen, vor und nach der Keimung (10)
Getreide / Samen |
ungekeimt (g / 100 g) |
gekeimt (g / 100 g) |
Hafer |
4,4 |
5,6 |
Weizen |
1,7 - 2,4 |
1,7 - 2,3 |
Mais |
4,4 |
4,3 |
Hirse |
4,8 - 5,4 |
3,1 - 4,6 |
Gerste |
2,5 - 2,8 |
2,1 - 3,7 |
Buchweizen |
1,6 |
2,4 |
Quinoa |
7,5 |
6,5 |
Amaranth |
7,0 |
6,7 |
Wie die Tabelle zeigt, verringert sich der Fettgehalt nicht bei allen Getreide- und Gräserarten. Bei Hafer, Gerste und Buchweizen steigt er an. Dieser Effekt und die unterschiedlichen Werte bei Gerste sind durch verschiedene Keimbedingungen entstanden.
Fette Körnchen
An den Werten sehen wir auch deutlich die großen Differenzen beim Fettgehalt: Die absoluten Spitzenreiter sind Quinoa, Amaranth und Hafer mit 5,0 bis 7,7 % Fett. Dann folgen Mais und Hirse, die im Bereich von 3,1 bis 5,4 % liegen.
Die meisten Getreide inklusive Reis haben einen recht niedrigen Fettgehalt von 3 % und darunter. Dazu gehören Buchweizen, Dinkel, Gerste (mit der einen Ausnahme bei Gerste als der Fettgehalt beim Keimen anstieg), Kamut, Reis, Roggen, Weizen und Wildreis.
Das steckt noch drin – Die Kohlenhydrat- und Eiweißwerte
Damit du eine komplette Übersicht der Getreidenährstoffe hast, geben wir dir noch weitere Nährwerte an. Das könnte einige Fragen von dir beantworten.
Bei den Kohlenhydraten gibt es keine auffälligen Unterschiede, alle liegen im Bereich von 60 % +/- 5 % - mit Ausnahme von Reis, der bei 70 – 75 % liegt. Was sich aber beim Kochen wieder relativiert, da Reis mehr als andere Wasser aufnimmt.
Beim Eiweiß gibt es sehr große Unterschiede: zwischen 7,2 % (Reis) und 17,3 % (Kamut). Die meisten Getreidesorten liegen zwischen 10 und 14 %. Auch hier gehören Amaranth mit 15 - 16 % und Quinoa mit 14 - 15 % zu den Top 3.
Tabelle 2: Energie-, Fett- und Eiweißgehalt von Getreide- und Samenarten (12)(13)
Getreide / Samen |
Energie (100 g) |
Fett (100 g) |
Eiweiß (100 g) |
Amaranth |
393 kcal / 1649 kJ |
7,7 - 8,8 g |
15,0 - 15,9 g |
Buchweizen |
336 kcal / 1425 kJ |
1,7 g |
9,1 - 9,8 g |
Dinkel |
337 kcal / 1414 kJ |
2,7 - 3,0 g |
12,0 - 12,3 g |
Gerste |
315 kcal / 1337 kJ |
2,1 g |
9,8 g |
Hafer |
350 kcal / 1478 kJ |
7,1 g |
10,7 - 11,7 g |
Hirse |
350 kcal / 1489 kJ |
3,9 g |
9,8 - 10,6 g |
Kamut |
378 kcal / 1589 kJ |
2,7 g |
15,0 - 17,3 g |
Mais |
327 kcal / 1385 kJ |
3,8 g |
8,5 - 8,7 g |
Quinoa |
392 kcal / 1646 kJ |
5,0 g |
13,9 - 15,0 g |
Reis |
345 kcal / 1462 kJ |
2,2 - 3,0 g |
7,2 - 9,8 g |
Roggen |
293 kcal / 1244 kJ |
1,7 g |
9,0 - 9,5 g |
Weizen |
309 kcal / 1310 kJ |
1,8 - 2,0 g |
11,0 - 11,7 g |
Wildreis |
352 kcal / 1493 kJ |
0,8 g |
13,7 g |
Und nicht zu vergessen: Amaranth und Quinoa sind zudem absolute Überflieger bei den Mineralstoffen, besonders bei Kalzium, Magnesium, Kalium und Eisen.
b) Ergebnisse zu den einzelnen Fettsäuren in Weizen, Buchweizen, Quinoa, Gerste und Hafer
Die Wissenschaftler verglichen auch die Veränderung der einzelnen Fettsäuren durch das Keimen. Je nach herangezogener Studie waren die Keimbedingungen allerdings sehr unterschiedlich (Dauer: 2 – 9 Tage, Temperatur: 17 – 30 Grad Celsius). Einige Studien führten die Keimung sogar komplett im Dunklen durch. Das führte dazu, dass die Werte sowohl zwischen den Getreidearten als auch in den verschiedenen Untersuchungen mit einem Getreide sehr große Differenzen zeigen.
Bei der Betrachtung der Daten sollten immer die Werte vom Gesamt-Fettgehalt (siehe a) berücksichtigt werden. Der geringe Fettgehalt von Getreiden und Pseudo-Getreiden relativiert die Prozentzahlen zu den einzelnen Fettsäuren.
Fettsäure in Weizen beim Keimprozess
Eine Studie zeigte nahezu keine Veränderungen bei Weizen innerhalb von 2 Tagen Keimung, jedoch erhebliche Veränderungen nach 9 Tagen. Die Ölsäure und die Linolsäure (Omega-6) nahmen dabei deutlich ab. Gleichzeitig nahm der Gehalt an Linolensäure (Omega-3) sehr deutlich zu, was zu einem viel besseren Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnis führte (siehe auch c).
Fettsäure in Buchweizen beim Keimprozess
Auffallend ist beim Buchweizen die große Menge der einfach ungesättigten Fettsäure Ölsäure mit 40 bis 54 %. Auch sie wird bei der Keimung der Buchweizensamen teilweise abgebaut. Die Linolsäure (Omega-6) und die Linolensäure (Omega-3) nehmen beide zu. Da sich aber die Linolensäure in einer Studie fast ver-sechs-fachte(!), führte dies zu einem außergewöhnlich guten Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnis von 2,7 nach 8 Tagen.
Eine andere Studie schaffte nur eine Verminderung auf den Faktor 14 – höchstwahrscheinlich, wegen Dunkelkeimung und der kürzeren Keimdauer von 3 Tagen.
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Fettsäure in Quinoa beim Keimprozess
Quinoa ist unter vielen Aspekten bemerkenswert - auch bei der Fettsäure-Zusammensetzung. (14)(15)(16) Leider wurde in diesem Review nur eine Studie im Detail betrachtet und ausgerechnet diese beinhaltet eine Keimung ohne Licht. Und das auch nur für 24 Stunden.
Daher sind diese Werte eher schlecht brauchbar. Denn wie verschiedene Versuche mit Dunkel-Keimung verändert dies den Gehalt der Fettsäuren auf andere Art als bei einer Keimung mit Licht. Beispielsweise nehmen im Dunkeln die gesättigten Fettsäuren zu.
Wir haben daher weitere Studien angeschaut und darin doch noch eindrucksvolle Werte gefunden.
Auch bei Quinoa stehen die mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PUFA) im Fokus. Quinoa hat zwar, wie Getreide, einen hohen Anteil von Linolsäure (Omega-6 / 50 - 60 %), aber einen wesentlich höheren Gehalt an Linolensäure (Omega-3 / 6 – 10 %).
Dadurch liegt das Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnis schon im ungekeimten Zustand in einem guten Bereich (5 - 10). In der Studie von Sang und Morita stieg während 3 Tagen Keimung der Linolensäure-Gehalt so deutlich an, dass sogar ein Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnis von nur 4 resultierte. (17)
Aber halt, das ist noch nicht das Maximum! Der Forscher Alvarez-Jubete fand in ungekeimtem Quinoa einen Wert von 1,6. Peiretti und Kollegen beobachteten den Fettsäuregehalt während des Wachstums der Quinoapflanze und konnten als einzige mit einem sensationellen Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnis von 0,3 einen Überschuss an Omega-3-Fettsäuren messen. (18)
Dieser Wert hängt offenbar sehr davon ab, in welchem Stadium des Reifeprozesses geerntet und welche Quinoa-Sorte verwendet wird. Im Gegensatz zu den üblichen Getreidearten sind, zumindest in Südamerika, noch recht viele Quinoa-Sorten mit verschiedenartigen Eigenschaften in Gebrauch.
Porridge ist dein Fall? Dann hol’ dir gleich unser AHO Sprossen Porridge. Mit fünf gekeimtem Zutaten: Quinoa, Hirse, Leinsamen, Buchweizen und Mais – alles fein vermahlen. Und natürlich Bio und Rohkost.
Fettsäure in Gerste beim Keimprozess
Beim Keimen von Gerste zeigten sich keine sonderlichen Veränderungen der Fettsäure-Zusammensetzung. Die Gesamtmenge und die Mengen einzelner Fettsäuren blieben nahezu konstant, mit Ausnahme der Linolensäure (Omega-3). Sie vermehrte sich erfreulicherweise um stolze 50 %. Dadurch ergab sich auch für die Gerste eine deutliche Verminderung des Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnisses von 12,5 auf 8,4.
Fettsäure in Hafer beim Keimprozess
Der Hafer hebt sich mit weiteren Eigenschaften von seinen Mitstreitern in diesem Vergleich ab. Er hat mit 36 % deutlich mehr einfach ungesättigte Fettsäuren als alle anderen. Gleichsam hat er bei den mehrfach ungesättigten Fettsäuren mit 45 % den geringsten Wert unter den Getreiden. Nur der Buchweizen liegt noch darunter. Sein Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnis ist mit 26 (ungekeimt) bzw. 22 (gekeimt) relativ schlecht. Die Verbesserung rührt von einer geringfügigen Neubildung von Linolensäure her. Während 4 Tagen Keimung haben sich nur sehr geringe Verschiebungen bei den Werten der einzelnen Fettsäuren ergeben.
Was unterscheidet unsere gekeimten Haferflocken von üblichen Haferflocken?
Sie sind nicht gedämpft. Denn Standard-Haferflocken sind hitzebehandelt und manche Hersteller entfernen sogar noch den Keim und damit fast alle Vitalstoffe, damit sie länger haltbar sind.
c) Omega-6- zu Omega-3-Verhältnis
Leider wurde das Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnis nur bei 5 Getreide- und Pseudogetreidearten bestimmt. Jedoch zeigt sich bei allen ausgewerteten neun Arbeiten ein deutlicher Trend zur Verbesserung des Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnisses. Alle Untersuchungen zeigten mehr oder weniger deutlich günstigere Werte, weil die Körner Omega-6-Fettsäuren abbauten und Omega-3-Fettsäuren bildeten.
Tabelle 3: Omega-3-zu-Omega-6-Verhältnis (10)
Getreide/Samen |
O-6-/O-3-Verh. vorher |
O-6-/O-3-Verh. nachher |
Anmerkung Keimbedingungen |
Hafer |
26,2 |
22,6 |
|
Weizen |
12,8 / 13,3 / 14 / 14,6 |
3,4 / 3,9 / 10,9 / 14,0 |
(3,4+3,9 = 17 Grad, 9 Tage) |
Gerste |
12,5 |
8,4 |
(8,4 = 20 Grad, 6 Tage) |
Buchweizen |
14,1 / 19,6 |
2,7 / 14,2 |
(2,7 = 25 Grad, 8 Tage) |
Quinoa |
5,2 |
4,6 |
Sehr auffällig sind die starken Verbesserungen bei den Untersuchungen, bei denen die Keimdauer länger als 3 Tage währte. Anhand dieser Zahlen ist auch sehr deutlich zu sehen, dass ungekeimtes Getreide – und alle Produkte daraus – mehr als gekeimtes Getreide zu unserem Omega-6-Überschuss beiträgt.
Nicht nur wegen des Überschusses, sondern auch, weil die Linolsäure mit 40 bis 60% einen sehr großen Anteil am Fett von Getreidekörnern hat. Das wiegt umso schwerer, da Getreideprodukte bei den meisten Menschen einen erheblichen Teil ihrer Nahrung ausmachen.
Mancher kommt auf die Idee, auf Nüsse und Samen auszuweichen. Das ist allerdings nicht die Rettung, die viele meinen. Denn bei ihnen sieht das Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnis noch schlechter aus. Die einzigen Ausnahmen sind Leinsamen, Walnüsse und Hanfsamen. Kakaobutter hat, je nach Sorte, auch noch gute Werte.
Die Verbesserung des Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnisses durch Keimung hat durchaus einen Vorteil, jedoch nicht unbedingt den, den viele vermuten. Wir wissen, dass die Omega-3-Fettsäuren aus pflanzlichen Quellen eine sehr schlechte Umwandlungsrate in die langkettigen Omega-3-Fettsäuren DHA und EPA haben.
Das macht das Bestreben, auf ein gutes Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnis in unseren Zellen zu kommen, zu einer echten Herausforderung. Denn zwischen dem Lebensmittel und der Zelle entscheidet der Stoffwechsel, was wirklich in der Zelle ankommt.
Trotzdem nutzen uns hierbei die pflanzlichen Omega-3-Fettsäuren, denn sowohl die Verlängerung von Omega-6- als auch von Omega-3-Fettsäuren in die langkettigen Formen bedient sich des gleichen Enzymsystems. Omega-6 und Omega-3 konkurrieren um einen Platz an diesem Enzymsystem, um „bearbeitet“ zu werden.
Damit kann eine reichliche Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren die Umwandlung von pflanzlichen Omega-6-Fettsäuren in die entzündungsfördernde Arachidonsäure teilweise verhindern. (19)
Daher haben wir drei Lösungen für ein besseres Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnis:
- die Menge von Omega-6-Fettsäuren im Essen zu reduzieren (vor allem Produkte mit Sonnenblumenöl),
- die Menge von Omega-3-Fettsäuren zu erhöhen, sowie
- mehr langkettige Omega-3-Fettsäuren aufzunehmen. Mittlerweile in vielen Shops erhältlich, nachhaltig und daher eine akzeptable Lösung für viele ist DHA- und EPA-haltiges Algenöl.
Unsere gekeimten Produkte können also ein Teil deiner Lösung sein. Die Getreidesprossen für unsere Produkte dürfen für 60 Stunden keimen, bevor wir sie weiterverarbeiten. In unseren eigenen Tests und durch unsere langjährige Erfahrung fanden wir heraus, dass dies der beste Zeitpunkt für die sanft-süßlichen Sprossen ist. Hinzu kommt eine überragende Keimfähigkeit unseres Urgetreides von 96 %!
Wir haben für dich eine Auswahl von 19 gekeimten Produkten (Cracker, Rohkostbrot, Müsli, Porridge, Brot-Backmischung, Pasta, Mehl, Kürbiskerne und Walnüsse). Falls du dich nicht entscheiden kannst: Viele Produkte gibt es auch in einer Kleinpackung zum Probieren.
d) Stabilität von Getreiden während der Lagerung (Fokus auf Hafer)
Die Fette in Getreiden und Pseudo-Getreiden sind auch hinsichtlich ihrer Lagerstabilität interessant. Getreide werden nicht selten ein Jahr oder länger gelagert. Hierbei ist eine Oxidation der Fette und als Folge das Entstehen eines ranzigen Geschmacks nicht erwünscht. Denn dieser überträgt sich auf die Produkte, die aus den Getreidekörnern hergestellt werden.
(Anmerkungen: Der ranzige Geschmack entsteht durch oxidierte freie Fettsäuren. Ganze Fettmoleküle sind weniger anfällig als diese freien Fettsäuren.)
Wie anfangs erwähnt, sind die Lipasen im trockenen Korn inaktiv und unterstützen damit eine längere Lagerung (siehe a) Fettgehalt). Nach den Daten der Studie verändert sich die Art und Menge der Fette während kontrollierter Lagerung nur unwesentlich. Nur ist die Kontrolle der Lagerbedingungen nicht überall möglich.
Wie könnte es sein, auch bei diesem Aspekt geht der Hafer seinen eigenen Weg. Durch den höheren Fettgehalt im Haferkorn und die dauerhaft aktive Lipase ist er wesentlich weniger für eine monatelange Lagerung geeignet.
Hochinteressant sind allerdings die Unterschiede zwischen gekeimtem und anschließend getrocknetem Hafer sowie dem ungekeimten Korn. Die Stabilität von Hafer wird durch Keimung und anschließende Trocknung deutlich erhöht, da sich die chemischen Veränderungen, die Ranzigkeit und Bitterkeit verursachen, beim gekeimten Hafer langsamer entwickeln als beim nativen Hafer. Bei nativem Hafer treten die intensivsten Veränderungen durch Verderb bereits nach einem Monat Lagerung ein, während sich die Oxidation von gekeimtem Hafer durch Keimung und Trocknung verzögert. (20)
(Anmerkung: Bei hitzebehandelten Haferflocken und alle Produkte hieraus werden die Lipasen inaktiviert. Erst dadurch werden sie lange genug haltbar, um im Handel verkauft zu werden. Die oben gemachten Aussagen gelten daher nur für das ganze, unerhitzte Korn.)
Zusammenfassung der Untersuchung
Diese Studie von Nemzer und Al-Taher schließt eine Lücke und zeigt auf, wie sich die Keimung auf das Fett in einigen Körner- und Samensorten auswirkt. Dabei gibt es mehrere gute Nachrichten.
Die Menge an Fett und der Fettsäuregehalt von Getreide- und Pseudogetreide-Körnern verändern sich durch Keimen teils drastisch, teils gar nicht. Bei Ersteren entstehen überwiegend neue, günstige Fettsäuren (vor allem mehrfach ungesättigte Fettsäuren).
Der wichtigste Einflussfaktor dafür sind die Keimbedingungen. Die analysierten Studien verwendeten Temperaturen von 17 bis 37 °C und eine Keimdauer von 1 bis 9 Tagen. Die Ergebnisse zeigen, dass das Keimen von Körnern bei höheren Temperaturen (20-25 °C) und längerer Dauer die Menge an Omega-6-Fettsäuren reduziert und gleichzeitig mehr Omega-3-Fettsäuren gebildet werden. Dadurch ergibt sich in aller Regel ein deutlich verbessertes Omega-6-zu-Omega-3-Verhältnis, womit gekeimte Produkte ein Vorteil für unsere Ernährung sind.
Quellen
1. Bera I, O'Sullivan M, Flynn D, Shields DC. Relationship between Protein Digestibility and the Proteolysis of Legume Proteins during Seed Germination. Molecules. 2023 Apr 4;28(7):3204. doi: 10.3390/molecules28073204. PMID: 37049968; PMCID: PMC10096060. - https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10096060/
2. AHO Blog: Ist gekeimtes Getreide besser? Vorteile, Nachteile und Beweise zum Keimen - https://aho.bio/blogs/blog/ist-gekeimtes-getreide-besser-vorteile-nachteile-und-beweise-zum-keimprozess
3. Peňaranda J.D., Bueno M., Alvarez F., Pérez P.D., Perezábad L. Sprouted grains in product development. Case studies of sprouted wheat for baking flours and fermented beverages. Int. J. Gastron. Food Sci. 2021;25:100375. doi: 10.1016/j.ijgfs.2021.100375.
4. Nachay K. Grains: Bakery and beyond. Food Tech. 2016;70:53.
5. Ikram A, Saeed F, Afzaal M, Imran A, Niaz B, Tufail T, Hussain M, Anjum FM. Nutritional and end-use perspectives of sprouted grains: A comprehensive review. Food Sci Nutr. 2021 Jun 23;9(8):4617-4628. doi: 10.1002/fsn3.2408. PMID: 34401108; PMCID: PMC8358358. - https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8358358/
6. Miyahira RF, Lopes JO, Antunes AEC. The Use of Sprouts to Improve the Nutritional Value of Food Products: A Brief Review. Plant Foods Hum Nutr. 2021 Jun;76(2):143-152. doi: 10.1007/s11130-021-00888-6. Epub 2021 Mar 15. PMID: 33719022. - https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33719022/
7. Rico D, Peñas E, García MDC, Martínez-Villaluenga C, Rai DK, Birsan RI, Frias J, Martín-Diana AB. Sprouted Barley Flour as a Nutritious and Functional Ingredient. Foods. 2020 Mar 5;9(3):296. doi: 10.3390/foods9030296. PMID: 32150936; PMCID: PMC7142429. - https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32150936/
8. Benincasa P, Falcinelli B, Lutts S, Stagnari F, Galieni A. Sprouted Grains: A Comprehensive Review. Nutrients. 2019 Feb 17;11(2):421. doi: 10.3390/nu11020421. PMID: 30781547; PMCID: PMC6413227. - https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30781547/
9. Ikram, A.; Saeed, F.; Afzaal, M.; Imran, A.; Niaz, B.; Tufail, T.; Hussain, M.; Anjum, F.M. Nutritional and end-use perspectives of sprouted grains: A comprehensive review. Food Sci. Nutr. 2021, 9, 4617–4628.
10. Nemzer B, Al-Taher F. Analysis of Fatty Acid Composition in Sprouted Grains. Foods. 2023 Apr 29;12(9):1853. doi: 10.3390/foods12091853. PMID: 37174393; PMCID: PMC10178583. -https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10178583/
11. Simopoulos, A.P. An increase in the Omega-6/Omega-3 fatty acid ratio increases the risk for obesity. Nutrients 2016, 8, 128.
12. Getreide-Tabelle - https://lebensmittel-tabelle.de/tabellen/getreide-tabelle/
13. Getreide 6 Getreideprodukte - https://vegane-proteinquellen.de/lebensmittel/getreideprodukte/
14. Pereira E, Encina-Zelada C, Barros L, Gonzales-Barron U, Cadavez V, C F R Ferreira I. Chemical and nutritional characterization of Chenopodium quinoa Willd (quinoa) grains: A good alternative to nutritious food. Food Chem. 2019 May 15;280:110-114. doi: 10.1016/j.foodchem.2018.12.068. Epub 2018 Dec 19. PMID: 30642475. - https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30642475/
15. Filho AM, Pirozi MR, Borges JT, Pinheiro Sant'Ana HM, Chaves JB, Coimbra JS. Quinoa: Nutritional, functional, and antinutritional aspects. Crit Rev Food Sci Nutr. 2017 May 24;57(8):1618-1630. doi: 10.1080/10408398.2014.1001811. PMID: 26114306. - https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26114306/
16. Abugoch James LE. Quinoa (Chenopodium quinoa Willd.): composition, chemistry, nutritional, and functional properties. Adv Food Nutr Res. 2009;58:1-31. doi: 10.1016/S1043-4526(09)58001-1. PMID: 19878856. - https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19878856/
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1 Kommentar
Danke für den tollen Artikel und die Arbeit dahinter! Super spannend.