Jasmin Kosubek hat ein eigenes YouTube Projekt. Sie redet mit interessanten Menschen über spannende und auch kontroverse Themen. Sie ist auf mich zugekommen und gemeinsam haben wir ein Interview aufgenommen. Es geht um Probleme der modernen veganen Ernährung, Schwierigkeiten in der omnivoren Ernährung und mögliche Lösungsansätze für einen ganzheitlichen Ansatz.
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Interview (leicht gekürzte angepasste Version)
Wie ist es, vegan zu sein? Warum hast du dich auf Sprossen spezialisiert?
Du hast Politikwissenschaften und Sport studiert? Du hast einen Master der Philosophie und deine Abschlussarbeit hast du zum Thema Tierethik geschrieben und du hast schon erzählt in vergangenen Interviews, dass du damals vor 14 Jahren der einzige Veganer an der Universität warst. Warum hast du dich schon damals für die vegane Ernährung entschieden?
Ich sage mal, ich war wie so ein Alien auf dem Campus. Alle haben mich immer gefragt, warum ich das mache. Deswegen bin ich auch so ein bisschen notgedrungen zum Experten geworden, weil ich diese Fragen erstmal nicht beantworten konnte und dann Antworten finden musste und mich reingelesen habe ins Thema. Ich habe ganz viel experimentiert und mit der Zeit konnte ich dann eben auch sagen: “Ja okay, in den und den Pflanzen ist Eisen drin und das kriegen wir gut hin, wenn wir das und das machen.” Das war aber damals alles noch nicht ganz so bekannt und es waren sehr anfängliche Fragen nach Eisen und Protein meistens. Gerade unter den Sportstudenten war das so, dass die Leute gesagt haben: “Wirst du nicht schlapp?”. Wurde ich nicht und ich habe mein Sportstudium auch wirklich schnell durchgezogen, ich glaube, ich habe zweieinhalb Jahre gebraucht. Es spricht einfach nur dafür, dass ich die Sportkurse besuchen konnte und nicht umgekippt bin.
Ein Vorurteil, das ich auch manchmal habe, ist tatsächlich, dass Veganer quasi mangelernährt sind.
Ja, manche sind bestimmt mangelernährt.
Bei dir ist das nicht der Fall, du machst es seit 14 Jahren und deine Motivation dahinter, ich nehme jetzt mal an, ist der tierethische Aspekt?
Auf jeden Fall, das ist so die Motivation. Ich hatte einfach einen Freundeskreis, das war eine ganz kleine Szene, wo viele Leute vegetarisch waren, vegan waren, keinen Alkohol getrunken haben und irgendwie bewusst gelebt haben. Da wurde ich dann inspiriert, als ich so 18 war. Dann habe ich mich mit dem Thema beschäftigt, warum das so ist. Ich habe Dokumentationen geguckt und war einfach sehr interessiert am Thema Gerechtigkeit. Ich hatte ja auch Politikwissenschaften studiert, mich damit auseinandergesetzt und habe einfach gemerkt, für mich ist das irgendwie nicht zu rechtfertigen. Dann habe ich aufgehört z. B. Fleisch zu essen und mich damit beschäftigt, ob ich das weitermachen möchte oder eben nicht. Und ich bin dabei geblieben und ich wurde dann vegan. Das kannte damals keiner, also die Leute haben gefragt, wenn ich manche Sachen gegessen habe, warum ich das mache und wenn ich gesagt habe, dass ich vegan bin, dann kannten das Wort nicht alle. Dass man jetzt das Wort kennt, das ist schon sehr besonders.
Vor 14 Jahren war es wirklich noch ganz anders, es gab ja auch nicht so viele vegane Produkte in den Regalen. Im Supermarkt gab es so gut wie gar nichts. Ich kann mich auch nicht erinnern, es gibt ja jetzt so viele Ersatzmilchprodukte z. B. nur mal um in Erinnerung zu rufen, dass das wirklich damals ja ein bisschen alienartig war und die Leute gar nicht wussten, was vegan ist, vegetarisch war da schon eher üblich. Ich habe dich gesehen auf Instagram, und da hast du ganz interessante Punkte angesprochen, die ich von Veganern ganz selten höre, Getreideunverträglichkeit oder so bestimmte Unverträglichkeiten bei diesen ganzen ja pflanzlichen Lebensmitteln. Das fand ich persönlich interessant, weil ich das selten höre von Veganern, dass du da offensichtlich schon einen Schritt weiter gegangen bist als andere, die bei dem tierethischen Punkt stehen bleiben. Vielleicht kannst du mal aus deiner Warte heraus erklären, was deine Kritik an der modernen veganen Ernährung ist. Diese Produkte, diese gekeimten oder diese Sprossen, was ist daran so besonders? Du hast ja auch ein Buch dazu geschrieben. “Wirklich gesund essen - Das Geheimnis der Nährstoffexplosion” ist ja auch eine Kritik an der modernen veganen Ernährung und will neue Wege aufzeigen, sich der pflanzlichen Ernährung zu nähern. Vielleicht kannst du das einmal erklären, was sind jetzt diese neuen Wege und was kritisierst du an der modernen veganen Ernährung?
Generell ist es ja schon so, dass eine vegane Ernährung nicht per se gesund oder ungesund sein muss. Es kommt eben darauf an, wie man es macht. Man kann da ziemlich viele Fehler machen, so wie auch mit anderen Ernährungsweisen. In der modernen veganen Ernährung ist es sehr leicht diese Fehler zu machen, gerade jetzt ist das so ein Trend geworden. Da gibt es eben auch Mainstream Produkte, viele vegane Produkte, die wirklich schlecht sind. Die meisten dieser Produkte haben kaum Nährwert, wenig Proteine, wenig Mikronährstoffe, sind voll mit Zucker und voll mit erhitztem Fett und Stabilisatoren. Da kann man sich Fake Käse, Fake Wurst angucken, alles Mögliche. Die sind nicht gesund, die sind einfach nachempfunden, damit sie irgendwie ein bisschen schmecken. Das ist auch völlig okay, wenn man das mal isst, das ist kein Weltuntergang. Ich bin wirklich kein Freund davon, so Panik zu machen. Aber, wenn man sich jetzt irgendwie aus anderen Gründen vegan ernährt, z. B. aus diätischen Gründen, und dann täglich diese Produkte isst, da tut man seiner Gesundheit eher schaden als was Gutes. Das merkt man am Anfang natürlich nicht, sondern erst nach ein paar Jahren. Da muss man ein bisschen drauf achten und das ist heute der Fall. Heute ist das eine große Falle für viele.
Du redest jetzt vornehmlich von diesen stark verarbeiteten Produkten, die natürlich ganz unabhängig davon, ob sie jetzt vegan sind oder nicht, die findet man ja immer. Ich merke aber auch z. B. bei mir, dass ich vor allem bei diesen verarbeiteten veganen Produkten extra kritisch bin. Sagst du denn, dass die genauso schlecht sind oder sind die noch mal schlechter, weil die Verarbeitung da noch anders ist?
Das muss man konkret dann sehen.
Okay, das kommt auf das Produkt an. Ich habe eine konkrete Frage und es geht auch nicht um Marken. Ich habe ja schon mit vielen Leuten gesprochen, mit unter anderem auch sehr sagen wir mal militanten Veganern, mit Carnivoren, mit Menschen, die ja eher zu Paleo tendieren und so weiter. Deswegen weiß ich, dass da Interesse da ist, wenn ich z. B. so einen veganen Joghurt im normalen Regal sehe, der nicht gekühlt ist, Kokosjoghurt - da werde ich ja schon skeptisch, weil ich mir denke, da müssen so viele Konservierungsstoffe drinnen sein, das kann nicht gut sein. Würdest du sagen, es ist von der Tendenz schon mal der richtige Ansatz?
Würde ich schon sagen, klar. Es ist ein gesunder Menschenverstand und es ist ein sehr künstlicher Moment, wenn man einen Joghurt, der nicht gekühlt wird, irgendwo findet. Also, wie soll das funktionieren?
Das ist die Frage, die ich mir stelle, also wie funktioniert das eigentlich?
Ich weiß es nicht. Wir bei AHO machen sowas nicht, deswegen kenne ich mich damit nicht gut aus. Wir machen sowas nicht, weil wir einen ganz anderen Fokus haben. Wir schauen auf die Natur und wie es die Natur macht. In der Natur gibt es schon mal ganz viele Pflanzen nicht, die wir, wenn wir in den Supermarkt gehen, finden. Diese ganzen Früchte und Gemüsesorten, die sind alle kultiviert, und durch diese Kultivierung des Obstes z. B. ist das alles in eine Richtung gegangen, dass man viel Wasser hat und viel Zucker. Also jede Frucht hat viel mehr Wasser und viel mehr Zucker als die Urfrucht, woraus sie gezüchtet wurde. Das ist nur ein Beispiel, das kann man bei Gemüse genauso machen, wenn ich mir jetzt egal welches Gemüse angucke, das ist nicht auf einmal so aufgeploppt, das sind jahrhundertelange Züchtungen, wo wir eigentlich im Ursprung Wildkräuter hatten. Wenn ich jetzt eine Wildheidelbeere nehme, die ist so klein und wenn ich daneben eine Blaubeere aus Peru nehme, die immer im Supermarkt ist, die ist so groß. Die Wildheidelbeere, ich mache einmal zack und alles ist lila. Die Blaubeere, wenn ich die aufmache, ist die weiß. Jedes Lebensmittel, was so viel Farbe hat wie so eine Wildheidelbeere, ist voll mit sekundären Pflanzenstoffen. Eine weiße Blaubeere, da ist kaum was drin, da ist sehr viel Wasser drin, die ist groß, die schmeckt viel süßer und ist nicht mehr ganz so sauer, die hat viel weniger Schale, wo die meisten Nährstoffe drin sind. Das ist im Supermarkt fast überall so. In der Natur würde es diese Blaubeere gar nicht geben, da gibt es eine Wildheidelbeere. So ist das eben auch mit vielen Gemüsen, das wird es auch in der Natur nicht geben, da gibt es Wildkräuter. Wenn man jetzt mal guckt, woraus ist unsere Ernährung aufgebaut, besonders wenn man sich pflanzlicher ernähren möchte. Dann sehe ich, das Gemüse ist total verzüchtet, das Obst ist total verzüchtet und die Grundnahrungsmittel Getreide, Hülsenfrüchte, vertragen viele Menschen nicht so. Wenn ich mir angucke, welche Getreideprodukte gibt es in der Gesellschaft, dann ist man erstmal da beim Weißmehl aus Weizen. Weizen ist an sich schon mal kein ursprüngliches Getreide, dieses wurde lange gezüchtet, dass es dicker, voluminöser ist und mehr Ertrag bringt. Es hat eine komplett andere Aminosäurenstruktur und einen anderen Glutenaufbau als dieses unverzüchtete Urgras. Dann entferne ich von diesem Weizen sogar noch komplett diese Schale, wo die ganzen Mineralien drin sitzen und die Vitamine und nehme nur das Innere. Wie das weiße von der Blaubeere. Es bleibt nicht mehr viel über außer - wenn ich da Geschmack reinbringe – ein leckerer Pizzateig, tolle Spaghetti, weiße Brötchen und so weiter. Das sind so die Grundlagen von unserer westlichen Ernährung, auch von Menschen, die Fleisch essen natürlich. Nicht nur von Veganern und Vegetariern.
Das heißt, wir haben quasi die Lebensmittel verzüchtet, sodass wir nicht die wesentlichen Nährstoffe mit drin haben. Wir haben zwar viele Lebensmittel und wir sind alle voll, aber wir sind nicht genährt.
Das ist sehr oft so. Wenn man ganz stark übergewichtig ist, hat man in der Regel auch einen Nährstoffmangel, viele Makronährstoffe, wenig Mikronährstoffe.Die Alternative von quasi den Ökos, so die Frischkornbreie essen, die Vollkornbrote selber backen, ist eben: Weißmehl ist schlimm, jetzt nehme ich Vollkorn.Wenn man jetzt die meisten Menschen fragt: Würdest du Vollkorn Spaghetti oder weiße Spaghetti essen wollen, dann sagen die Menschen oft “Boah, Vollkorn Spaghetti liegen mir aber schwer im Magen, das ist mir zu schwer.” Es stimmt, die Leute können Vollkorn nicht so gut verdauen, weil da einfach ganz viele Mechanismen da sind, damit man das nicht isst.
Du meinst von dem Korn an sich, das wehrt sich quasi dagegen gegessen zu werden?
Auf jeden Fall, das hat ja ein Interesse, das möchte im nächsten Jahr wieder wachsen. Dadurch schützt es sich. Die Stoffe sind gebunden, die Mineralien sind auch gebunden an andere Stoffe, die sind fest. Also es ist nicht schlimm Vollkorn zu essen, ich möchte da keine Panik machen. Es ist nicht schlimm mal Vollkorn zu essen, aber wenn man das als Grundlage der Ernährung nimmt, dann gibt es viele Menschen, die irgendwann Probleme haben mit der Verdauung. Der Prozess, den ich eben bekannter machen möchte, vereint die Vorteile von Weißmehl und die Vorteile von Vollkorn. Denn durch den Keimprozess, also wenn ich dieses Vollkorn in Wasser einweiche und es ein bisschen wachsen lasse für so zwei Tage und dann diesen Prozess abbreche, indem ich das Wasser wieder entziehe, in dem Moment entsteht etwas Magisches. Die Vitamine explodieren, also man kann das messen, die steigen an, die B-Vitamine steigen teilweise um 600 %. Bestimmte andere Stoffe, die potenzieren sich. Stoffe, die wir gar nicht kennen, z. B. Spermidin ist ein ganz wichtiger Stoff für die Autophagie, also für die Zellverjüngung. Das ist so ein Recyclingprozess, der in unserem Körper stattfindet, der wird eben befeuert durch einen Nährstoff oder durch Fasten und den nennt man Spermidin. Bei uns z. B., wenn wir unser Getreide darauf messen und dann das gekeimte Getreide und das noch mal darauf messen, ist siebenmal mehr Spermidin enthalten auf die gleiche Grammzahl, auf die gleichen Kalorien. Das ist ganz verrückt. Siebenmal mehr, das heißt, ich könnte z. B. 100 g gekeimte Vollkornnudeln essen oder 700 g Vollkornnudeln. Ich kann nicht 700 g Vollkornnudeln essen, aber 100 g gekeimte Vollkornnudeln kann man essen.
Das ist eher so der Moment, wo ich ansetze. Wir müssen einfach verstehen, was wollen die Pflanzen, die wollen wieder wachsen, die wollen noch mal aufkeimen. Dann bauen sie viele Antinährstoffe ab, potenzieren viele Nährstoffe und wenn man die dann isst, dann kann das eine gute Grundnahrung sein. Das gilt tatsächlich für alles, was wachsen kann, also nicht nur für Getreide, sondern auch für Hülsenfrüchte. Jeder Mensch kennt es, in Deutschland gibt es voll viele Sprüche dazu, zu Bohnen und Linsen und niemand verträgt Linsen so richtig gut. Wenn man Linsen keimt, also die in Wasser einweicht und ein bisschen wachsen lässt, dann werden Ballaststoffe, die blähend sind, abgebaut. Es potenzieren sich bestimmte Vitamine, die Mineralien werden verfügbarer und es passieren so viele Dinge, dass man dann die gekeimten Linsen viel besser verträgt. Das kann dann auch eine Grundnahrung sein, das gilt für alle Saaten.
Du hast zwei Prinzipien mit eingebaut, die ich selten von Veganern höre, also zum einen das Thema Antinährstoffe bei Pflanzen, weil Pflanzen auch ein Interesse haben zu überleben und sich zu reproduzieren, und die Bioverfügbarkeit. Das sind zwei Punkte, die ja Karnivore, um jetzt mal diese Polarität aufzumachen, quasi den Veganern vorwerfen.
Genau, und das ist voll gut sich damit auseinanderzusetzen. Ich finde, da sollte man dann offene Ohren haben und sagen, was sind die Punkte und wie können wir denen begegnen. Wo gibt es Lösungen oder wenn die Kritik valide ist, wo passe ich mein Verhalten an?
Du sagst auch, dass dann durch diesen Keimprozess nicht nur Stoffe wie Spermidin sich potenzieren, sondern auch, dass sich die Antinährstoffe reduzieren.
Genau, also in dem Moment, wo Saaten, Körner, Hülsenfrüchte in Wasser eingeweicht werden, da werden Enzyme aktiviert und dadurch findet ein Umwandlungsprozess statt: ein Abbau oder eine Potenzierung. Diese Enzymaktivität, z. B. der Phytase, baut eben Phytinsäure ab.
Phytinsäure ist ja ein Antinährstoff, was ja die Aufnahme von Mineralstoffen glaube ich vermindert?
Phytinsäure ist an sich nichts Schlechtes, aber wie alles muss es irgendwo im Lot sein. Zu viel Phytinsäure kann auf jeden Fall demineralisierend sein. Phytinsäure hat auch positive Eigenschaften, aber sie sollte nicht zu viel da sein. Diese Mineralien sind dann irgendwie an die Phytinsäure gebunden, das heißt, ich möchte ja auch rankommen an das Magnesium, was mehr ist im Vollkorn als in Weißmehl. Da hilft der Keimprozess.
Und erhöht dann damit auch die Bioverfügbarkeit von diesen?
Auf jeden Fall, vor allem von Protein. Wenn man sich anschaut, in Getreide ist ja kein ausgeglichenes Aminosäurenprofil, das heißt, das Protein ist nicht ausgeglichen in Getreide. Es gibt verschiedene Aminosäuren, vor allem gibt es ein paar, die essentiell sind, das heißt überlebenswichtig.
Es heißt ja auch immer, dass im Fleisch bestimmte Aminosäuren für den Muskelaufbau besser vorhanden sind als in Pflanzen.
Genau, und diese essentiellen Aminosäuren, die müssen in einem bestimmten Verhältnis zueinander da sein, sodass es ausgewogen ist. Sind sie aber nicht in Getreide, da fehlen ein paar essentielle Aminosäuren und andere sind zu viel drin. Das Gleiche gilt für Hülsenfrüchte, nur da ist es genau andersrum, da sind die zu wenig, die zu viel sind in Getreide. Wenn ich das Getreide oder auch die Hülsenfrucht in den Keimprozess gebe, dann gleicht sich das Aminosäurenprofil an. Das heißt, die werden mehr, die zu wenig sind und die anderen reduzieren sich ein bisschen. Es baut sich einfach um bei allen Nährstoffen durch den Keimprozess, auch bei den Fetten. Dadurch wird das Aminosäureprofil eben ausgeglichen. Wenn man nur ein Lebensmittel dann nehmen sollte, dann sollte es auf jeden Fall gekeimt sein. Am besten ist natürlich die Kombination aus Hülsenfrucht und Getreide. So wie das in ganz vielen traditionellen Gerichten ist wie Reis mit Dahl oder in Lateinamerika gibt es auch immer Bohnen mit Reis und so weiter.
Ist das jetzt quasi das große Geheimnis der veganen Ernährung, dass man gekeimte Lebensmittel essen sollte?
Ich glaube, dass ein großer Punkt ist, warum die Leute langfristig aufhören, weil sie eben mit der Verdauung Probleme haben. Sie essen irgendwelche Pflanzen, die sehr viel Volumen haben, dadurch den Bauch voll machen, aber so richtig satt werden die Menschen dann nicht.
Ich habe ja auch in meinem Umfeld Exveganer sozusagen und jetzt hatten nicht alle dieselben Probleme, aber die Magenproblematik ist doch häufig vorhanden gewesen. Das ist ja auch teilweise irre, wenn man so einen gestandenen Mann nimmt, also wie viel Pflanzen der essen muss, um dann wirklich auch satt zu sein.
Das liegt an dem, was ich am Anfang erklärt habe, dass alles auf Volumen und Zucker gezüchtet wird. Wenn ich jetzt Wildheidelbeeren nehme, mir ein paar Wildkräuter pflücke, gekeimtes Getreide, gekeimte Hülsenfrüchte esse, dann sieht das alles schon ganz anders aus. Das hat gar nicht dieses Volumen. Das macht einen riesigen Unterschied. Das Volumen, da scheitern die meisten Menschen, dass sie sagen, okay, jetzt möchte ich mich gesünder ernähren und dann essen sie viel Obst und Gemüse und dann ist der Bauch voll.
Und dann hat man eine Kompostieranlage im Bauch. Jeder weiß, wovon wir sprechen, das müssen wir jetzt hier nicht weiter ausführen. Jetzt die Frage, woher stammt eigentlich dieses Wissen? Hast du das jetzt entdeckt oder könnte es sein, dass dieses Wissen schon urlange vorhanden ist und du hast es quasi nur wieder gefunden?
Ja, ich habe mir nichts ausgedacht.
Aber woher hast du das dann gefunden? Ihr produziert ja auch ein Lebensmittel: gekeimte Nudeln aus Urdinkel. Urdinkel, wie es ja schon das Präfix andeutet, den gab es schon mal. Das heißt, diesen Keimprozess, den gab es schon mal.
Der Keimprozess, der passiert ja die ganze Zeit, sonst würden wir nächstes Jahr nicht mehr leben.
Ja klar, weil die Pflanzen wachsen wieder, aber dass man das nutzt, um quasi die Nährstoffe zu potenzieren, zu vervielfachen?
Früher gab es keine industrielle Nahrungsmittelproduktion. Wenn man jetzt zurückgeht, dann gab es auch keine Mühlen und auch keinen Strom. Da musste man dieses Getreide anders nutzen. Es ist auch so, dass Getreide schon sehr lange genutzt wird und erst die letzten 12000 Jahre ist es eben kultiviert und zum Hauptnahrungsmittel geworden. Was man davor gemacht hat, ist, dass man das wild gesammelt hat. Es gab schon immer Wildgräser und es war schon immer toll die Frucht davon zu nehmen und dann hatte man eben ein Urgetreidekorn. Dieses Urgetreidekorn war aber hart. Schälen konnte man nicht, man hatte auch keine Maschinen, die das abschleifen konnte wie bei der Weißmehlproduktion. Das heißt, es war immer ein Vollkorn. Diese Körner, die man dann da gesammelt hatte, die waren hart. So hart, dass man das gar nicht essen konnte. Das heißt, man musste das früher irgendwie weich bekommen. Ein sehr leichter Weg ist, das einfach in Wasser einzuweichen. Dann fängt das an so ein bisschen zu wachsen. Dann kann man das mit einem Stein auf dem Stein platt machen, da gibt es auch ganz viele Berichte von. So ist Brot entstanden. Ein Fladenbrot, dafür hat man quasi eingeweichtes, leicht angekeimtes Getreide mit einem Stein flach gemacht und auf diesem Stein dann an der Luft und der Sonne trocknen lassen. Dann hatte man so ein knackiges Flachbrot, das ist eigentlich der Ursprung von Brot. Das haben die Menschen ganz lange schon gemacht. Heutzutage macht das niemand mehr. Warum ist das so? Weil das leichter ist. Die Menschen haben sich damals sicherlich nicht hingesetzt und geguckt, ob da siebenmal mehr Spermidin drin ist oder nicht. Es ging ja gar nicht anders, heute gehen so viele Sachen. Heute ist es doch viel leichter eine Aluminiumdose aufzumachen und Kidneybohnen da herauszunehmen.
Bei diesem Beispiel, da habe ich mir die Frage gestellt: Die Kidneybohnen sind doch auch eingeweicht irgendwie?
Ja, das ist richtig, die sind vorgekocht.
Aber die sind nicht gekeimt?
Nein, die werden in so riesigen Druckkochtöpfen in der Industrie gemacht, in die Dosen gefüllt und dann stehen die ewig lange. Das ist ein Problem. Alles, was Feuchtigkeit enthält, wasserhaltig ist und lange konserviert, das bildet Histamin. Alles, was feucht ist und im Kühlschrank lange steht, das bildet Histamin. Histamin ist nichts Schlimmes. In jedem Lebensmittel ist ein bisschen Histamin. Jeder hat ein bisschen Histamin. Wenn man zu viel Stress hat, dann bildet man immer mehr Histamin. Leute haben dann irgendwann Histaminprobleme. Wenn sie zu viel Stress hatten und ganz viel so Nahrungsmittel essen, dann läuft das Fass einfach über. Es ist so, wenn ich jetzt eine Dose nehme, dann das feucht da steht, dann ist da ganz viel Histamin drin. Deswegen ist es so wichtig zu sagen, dass diesen Sprossen, diesem gekeimten Getreide dann eben die Feuchtigkeit entzogen wird, damit dann nicht Histamin entsteht.
Ach so, das ist ja interessant!
Das ist ein riesiger Punkt. Es ist nicht so, dass nur der Keimprozess wichtig ist, sondern auch der Dörrprozess oder die Trocknung. Da passieren auch wichtige Sachen. Es gibt auch ein Hauptding, was problematisch ist an Getreide und Hülsenfrüchten, das nennt man FODMAPs. FODMAPs sind schnell fermentierbare Zuckermoleküle, die im Darm nicht verstoffwechselt werden können und dann so blähen. Die meisten Menschen haben Probleme mit FODMAPs, viel mehr als mit Gluten. Diese FODMAPs, die reduzieren sich in Getreide und den Hülsenfrüchten durch zwei Wege: Der eine Weg ist das Fermentieren. 30 % der FODMAPs werden so reduziert. Der zweite Weg, das ist der beste Weg, das ist der Keimprozess. Da werden 60 % der FODMAPs reduziert. Wenn man das jetzt kombiniert, dann ist es das Beste natürlich. Diese FODMAPs, die dann abgebaut werden, die müssen ja irgendwo landen und das ist tatsächlich so, dass diese FODMAPs in dem Wasser landen. Das heißt, wenn ich einweiche und keime, dann habe ich dieses feuchte Getreide, was eigentlich ja weniger FODMAPS hat, dann muss ich dieses Wasser da rausbekommen. Deswegen trocknen. Dieses Brotbeispiel macht es automatisch, die mussten das nicht wissen damals, das ist dann getrocknet dieses Flachbrot.
Ich wollte gerade sagen, jeder hat bestimmt irgendjemanden im Umfeld, der sagt, er hätte irgendwie eine Glutenunverträglichkeit. Ich habe mich selber auch schon dabei erwischt. Im Brotland Deutschland isst doch jeder Brot. Warum hat man jetzt auf einmal damit so Probleme? Du sagst, es liegt eigentlich an anderen Stoffen und nicht am Gluten?
Beides, also es ist eine Kombination aus Vielem. Es liegt viel an den FODMAPs, es liegt aber auch an der Glutenstruktur. Modernes Getreide hat eine andere Glutenstruktur. Gluten ist nur ein Name für das Eiweiß in Getreide, das hat man so benannt. Deswegen hat Hafer kein Gluten, weil da nennt man das anders, da nennt man das Avenin und nicht Gluten. Jedes Getreide hat nun Gluten. Es ist aber so, dass es unendlich viele verschiedene Glutene gibt, also es gibt andere Zusammensetzungen. Im modernen gezüchteten Getreide ist das Gluten häufig ein Problem. In Urgetreide, also dem unverzüchteten Süßgras, ist es so, dass die Glutenstruktur anders ist. Da ist z. B. kein Gliadin enthalten.
Also ist es eigentlich eine Gliadin Unverträglichkeit, vielleicht?
Das ist ein Punkt von dem Gluten.
Wenn ich mir das so anhöre, also hier die Lebensmittel, die nass sind, also Bohnen oder auch Mais, was auch immer, haben mehr Histamine, dann hat man Gliadine, Gluten und all diese Stoffe, das klingt ja fast so, als würden wir vergiftet werden?
Ich würde es jetzt nicht so krass sagen, also dass auf jeden Fall nicht mit einer Intention vergiftet wird. Aber es ist schon so, dass vieles, was industriell hergestellt wird, praktikabler ist für uns, es ist eben leichter, es ist schneller verfügbar, es ist besser lagerfähig und so weiter. Aber es bringt eben Nachteile mit sich. Das ist ein Problem. Wenn man zu viel permanent daraus seine Nahrung bezieht auf jeden Fall. Wenn ich jetzt nur noch Dosenessen nehme, hat es eine andere Qualität. Wenn diese Pflanzen alle noch gezüchtet sind, die da drin sind, dann haben Leute irgendwann ein riesengroßes Problem nach Jahrzehnten.
Ich glaube halt irgendwie, als wären wir aktuell gesamtgesellschaftlich ein bisschen an diesem Punkt, weil man dauernd von diesen ganzen Unverträglichkeiten hört. Es kann ja auch sein, dass ich irgendwie in einer Bubble bin, wo man das so mitkriegt. Aber es ist schon eigenartig und Leuten fällt es ja auch auf, dass auf einmal, auch Kinder, irgendwie mehr Unverträglichkeiten hatten als noch vor 30 Jahren.
Es gibt ganz viele Gründe dafür natürlich.
Ja, natürlich, das ist nicht monokausal. Nur ich denke schon, dass die Ernährung ein wesentlicher Punkt an der Stelle ist. Ich gebe dir recht, natürlich. Ich würde jetzt auch nicht sagen, dass da eine böse Absicht dahinter steckt. Es sind eigentlich eher so die Gegebenheiten, so wie sie sind.
Das witzige ist dann, dass diese Unverträglichkeiten, die man dann Gluten zuordnet, auf einmal nichts mit Gluten zu tun haben, wenn man Placebo-kontrollierte-Studien macht. Es ist einfach so, dass da viele Sachen zusammenkommen. Es ist eher so, ich vertrage das Weißmehlbrötchen nicht als Ganzes, als das, was es ist. Nicht wegen x, sondern das Brötchen da vertrage ich nicht. Ein anderes Brötchen würde ich vielleicht vertragen, aber das vertrage ich jetzt nicht. Aber das kriegt man nicht leicht hin im Kopf, man möchte schnell einen Erklärungsansatz haben. Bei gekeimtem Getreide ist das anders. Wir haben z. B. bestimmte B-Vitamine, die dafür da sind, dass wir Stärke gut verdauen können. In Getreide, in jedem Brötchen und so weiter, ist ja viel Stärke enthalten. Die Stärke können wir in einem Vollkornprodukt und in einem Weißmehlprodukt oft nicht adäquat verdauen. Dafür haben wir nicht genug Enzyme. Also wir haben z. B. nicht genug Amylase im Speichel. Es ist so, dass B-Vitamine dabei helfen können, diese Stärke zu verdauen. Die B-Vitamine potenzieren sich durch den Keimprozess. Aber es sind noch andere Prozesse, z. B. ist die Enzymaktivität von der Alpha-Amylase, also dem gleichen Enzym, was im Speichel ist, in gekeimtem Getreide 125-mal höher als in ungekeimtem Getreide. Das muss man sich mal vor Augen führen. Also es sind so viele Prozesse, warum das gut ist.
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Ja, die ganzen Komponenten, die noch dazu zusammenkommen. Die Frage ist, wie soll man denn jetzt da eine Lösung finden? Sagen wir mal, es gucken uns jetzt ein paar Leute zu, die sich sagen: Okay, was soll ich jetzt machen? Also das Gemüse ist verzüchtet, das Obst auch, wo soll ich das jetzt kaufen? Das Brot, das kann ich essen, aber jetzt muss ich auch gucken, wie? Die Leute haben ja auch begrenzte Ressourcen, auch an Zeit, auch irgendwie einkaufen zu gehen. Ich meine, die Produkte sind wunderbar und so weiter, aber vielleicht kann sich das auch nicht jeder leisten. Wie geht man dann praktisch damit um? Was sagst du, wo könnte man da ansetzen?
Ist eine gute Frage, also es gibt ja viele Punkte. Es ist auch nicht jedes Gemüse schlecht. Also Brokkoli ist eine super Sache.
Was ist da mit den Antinährstoffen, da sind ja die Carnivoren immer direkt bei Oxalsäure bei Brokkoli.
Wir haben z. B. gekeimte Urbrokkolisamen.
Das ist aber ja was anderes als einen Brokkoli zu essen?
Ja, ich würde sagen, um es leicht zu machen, nicht so viel Panik. Es muss nicht alles perfekt sein. Egal, ob jetzt Carnivor, Veganer oder weiß ich nicht. Wenn wir zu viel Stress haben und Angst, dann geht alles schief. Das ist mit dem Histamin auch so. Ich kann sehr viel Histamin von außen durch die Nahrung zuführen und keine Probleme haben. Ich kann aber auch so viel Stress haben, dass ich so viel Histamin in mir produziere, dass ich dann schon Probleme habe, egal was ich esse. So, das nur mal vorangestellt. Aber an sich ja, das ist einfach nicht die Natur. Wenn man in die Natur geht, dann findet man wilde Beeren, Wildkräuter, wenn dann Urgetreide, nicht neu modernes gezüchtetes Getreide. Das sind Sachen, die man auch integrieren kann. Damit kann man einfach anfangen, dass man diese Sachen integriert. Und man kann mitnehmen, dass eben durch diese zwei Prozesse - Keimprozess und Fermentation - viel Positives passiert. Das heißt, Gemüse kann man sehr gut fermentieren. Man kann auch Kohl fermentieren.
Von Sauerkraut kriegt man doch auch Blähungen?
Sauerkraut muss man ja nicht in den Mengen essen, also davon deckt keiner seinen Kalorienbedarf. Man kann auch Kimchi machen z. B. man kann sehr viel Gemüse sehr gut fermentieren. Man kann diese Prozesse auch irgendwie feiern: Hey, guck mal, man lebt in Deutschland, ich habe voll die Möglichkeiten, z. B. Sauerteigbrot. Das ist auch eine Fermentation. Wir haben z. B. ein Brot entwickelt, ein Sauerteigbrot aus gekeimtem Urdinkel. Wir haben Urgetreide, was wir hier regional anbauen lassen, genommen, das wurde 60 Stunden gekeimt, dann wurde die Feuchtigkeit entzogen, in der Steinmühle gemahlen und dann Sauerteigbrot daraus gebacken, also noch eine Fermentation hinzugefügt. Wir haben jetzt so um die 50.000 Kunden, die schreiben uns täglich: Wow, ich konnte wirklich gar kein Brot essen, egal, was ich ausprobiert habe, und das kann ich essen. Das liegt nicht am Gluten, also so leicht kann man es nicht herunterbrechen.
Jetzt habe ich eigentlich herausgehört, dass wenn man es richtig machen will, dann muss man AHO Bio Produkte kaufen?
Nein, auf keinen Fall. Das kann man alles selber machen.
Kann man, wer Zeit dafür hat. Zeit ist ja wirklich so ein Faktor.
So ist es ja immer. Entweder man hat die Zeit dazu oder man kauft die Dinge. Das ist klar, aber das ist bei allem so.
Ich merke da selber, wenn ich mir das anhöre und man kennt es ja, man hat keine Zeit für irgendetwas. Das kann ich auch verstehen, Familie, Arbeit und das ganze Rumgerenne. Gleichzeitig denke ich mir dann auch: Ja, aber guck mal auf deinem Handy auf deine Bildschirmzeit und dann sag mir, ob du wirklich keine Zeit hast. Das merke ich ja bei mir selber, wenn ich sage, ich habe keine Zeit und dann gucke ich auf meine Bildschirmzeit. Doch, ich habe Zeit. Deswegen ist immer die Frage, wo man seine Energie hinsteckt, was man damit macht. Ist jetzt vielleicht etwas, wo ich mich selber manchmal erwische.
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